Ihre Durchlaucht Herzog Ludewig von Stahlberg in seiner Rede
zur Lage des Reiches am Richttag den 27 im Sonnenmond des Jahres 1106.
Memoriert und niedergeschrieben von Ferdinand Federstreich:
Unruhe herrschte in der Menge, die auf dem Exerzierplatz vor
dem Sitz des Hauses Stahlberg auf das Erscheinen ihres Herrn wartete. Vor drei
Tagen war die Kunde durch das stahlberger Land geeilt und hatte jedes
Familienoberhaupt nach Schloss Bärenfels beordert, um über die Lage des
ravernischen Reiches in Kenntnis gesetzt zu werden. Krieg lag wieder einmal in
der Luft. Vor Tagen schon waren die Grenzen geschlossen worden und die
Schmiedefeuer brannten Tag und Nacht. Ebenso war schon zu jedem Kind gedrungen,
dass die Bärengarde, die in Anakusta stationiert ist um die Königin zu schützen
abgezogen wurde, um die herzögliche Familie zu schützen. Nun wartete die Menge
auf das Erscheinen des Herzogs auf dem großen Balkon, vom dem er sein Wort des
Öfteren an das Volk und vor allem ans Militär richtete. Dass sie heute hier
zusammengerufen worden waren, konnte nur eines bedeuten: Etwas Großes stand
bevor!
Ein Raunen ging durch die Menge, als der Herzog erschien, an
seiner Seite Reichsmarschall Leomar und seine Schwester Myra von Stahlberg, die
einen strengen, konzentrierten Blick über die Menge warf. An diesem Tag trug
der Herzog keine Festkleidung, die er sonst bei solchen Anlässen trug, sondern
die dunkle Brünne seines Vaters Jost, einen roten Feldumhang und an seiner
Seite das Schwert. Er vermittelte den Eindruck, als ob er für eine Feldschlacht
gerüstet war und mit ebensolchem Ernst schaute er in der Menge umher, um zu
sehen wer alles gekommen war. Leomar war ebenfalls hochgerüstet und die Orden
seiner militärischen Verdienste warfen einen Widerschein der jungen Sonne. Die
Schwester des Herzogs war ganz in schwarz in eine Art dunklen Ledermantel, den
sie stets auf Reisen trug gekleidet und vermittelte den Eindruck höchster
Aufmerksamkeit. Von der Erscheinung der drei zunächst benommen ging das Volk
erst in zaghaftes, dann in rückhaltloses Jubeln über, was jedoch recht bald mit
einer energischen Geste des Herzogs geschlichtet wurde. Er schien nicht in der
Stimmung zu sein, sich feiern zu lassen.
Er trat noch 2 Schritte an die Brüstung des großen Balkons
vor und begann dann mit lauter, fester Stimme zu sprechen:
„Hört mich an, Brüder und Schwestern des ravernischen
Reiches! Ein jeder von euch hat vernommen, welche Sterne über Ravernien stehen.
Ihr erblickt mich mit meinem Hofstaat zum Kampfe gerüstest, bereit unser Volk
vor allen Widersachern und inneren wie äußeren Feinden des Reiches zu schützen.
Ihr alle wisst es: Unsere geliebte Königin ist tot, feige ermordet auf der
Südburg. Religionswirren stürzen Freunde und frühere Kampfgefährten in
unvereinbaren Zwist. Riesige, aufrecht laufende Käfer streunen des Nacht umher
und gefährden sie Sicherheit. Manch dreister Geck nutzt die scheinbare Gunst
der Stunde, um seine reichsverräterischen Ziele zu erreichen. Doch all dem muss
und wird mit allergrößtem Ernste Einhalt geboten werden. Seid euch dessen versichert.
Doch mehr noch muss ich euch berichten. Der frühere Kanzler der Akademie,
Silran Mordeki, der Hohepriester der Kinder des Mondes wurde wie es der
Anschein hat, von den Templern ermordet. Ebenso seine Priester, allesamt
Würdenträger und Verdiente am ravernischen Reich, wurden wie Tiere abgestochen.
Und das obwohl ihre Religion in diesem Momente von allen Zweifeln los
gesprochen wurde. Ich sage euch, Söhne und Töchter Stahlbergs, ich kann ihren
gerechten Zorn verstehen, der in ihren Herzen brennt. Ebenso wurde mein Haus
und mein Weib und damit das gesamte Stahlberger Volk auf das ärgste beleidigt.
Ihr alle wisst um die Umstände dieser Vorgänge. Immer schon befürchtete ich,
dass Religionen sich allzu sehr erheben möchten, dass sie selbst Recht und
Gesetz des Reiches auflösen können. Doch das wird niemals geschehen. Ich musste
selbst erfahren um wie vieles wichtiger ihnen ihre Göttin ist, als dass sie
sich genötigt sehen sich nach ravernischem Recht und Brauch zu benehmen. Dieses
kann und wird nicht weiter hingenommen werden. Redliche Bürger zum Widerhandeln
des Gesetzes anzustacheln, die dann auf Freund und Bruder losgehen, um diese zu
töten, da sie den falschen Gott anbeten. Ich frage mich welch dunkle Saat und
welcher Wahnsinn in der Brust schlummern muss, um solches gutzuheißen? Deshalb
nun wird vom heutigen Tage an das Anbeten der Göttin Imaculata verboten und
Widerhandeln unter die strengste Strafe gestellt. Wer immer nicht von diesem
Glauben abschwören kann oder will ist herzlichst eingeladen nach Leissenweg zu
ziehen, wo diese Dinge ein wenig „leichter“ gesehen werden. Dürfen wie uns
Brüder und Schwestern von solchen Göttern beeinflussen lassen? Ich sage euch,
meine höchste Religion ist es, das ein jeder in Friede, Eintracht und Würde
leben kann, doch wehe dem, der diese heiligen Werte bedroht. Der soll meine
bitterste Vergeltung und den gerechten Zorn des Volkes zu schmecken bekommen. Ist
es das wert, alles was recht und gut ist mit den Füssen zu treten und
irgendwelchen namenlosen Göttern zu gehorchen. Ich sage euch, wir haben ihrer
vorher nicht bedurft und brauchen sie auch jetzt nicht. Besinnt euch auf euren
Stolz, auf das was eure Hände geschaffen haben. Unser geliebtes Reich darf
nicht fallen. Alles was von unseren Vorvätern geschaffen wurde, wofür sie mit
ihrem Leben und ihrem Blute eingestanden haben, soll all das plötzlich nichts
mehr wert sein? Wer immer Hand an ihr Erbe legt um seine reichsverräterischen
Pläne und seine niederste Gesinnung voranzutreiben soll verflucht sein. Ich
frage euch, Stahlberger Volk, werdet ihr an meiner Seite stehen und gegen jedes
Unrecht ziehen? Werdet ihr so es nötig ist den gerechten Krieg vorantreiben? Im
unerschütterlichen Bunde die inneren und äußeren Feinde des Reiches aufgreifen
und ihrer gerechten Strafe überantworten? Ja ich frage euch, soll das Feuer
eurer Herzen, das im edlen Streite brennt den Makel der Niedertracht hinfort
brennen? Seid ihr an meiner Seite?“
An dieser Stelle unterbrach der Herzog seine Rede, um sein
Volk zu hören. Von seiner Rede wie in Brand gesteckt, schrien tausend Kehlen
wie aus einem Munde: Ja!! Und brandeten dann in ekstatische Hochrufe aus. Durch
den Rückhalt seines Volkes beflügelt erhob der Herzog noch einmal laut seine
Stimme.
„Ihr erfüllt mein Herz mit Stolz, Stahlberger. Kein Feind
wird uns niederwerfen! Wer soll gegen solchen Heldenmut bestehen? Wer kann
solche Treue belohnen?“
Dann zog er seine Klinge, die in der Sonne hell glänzte und
reckte sie seinem Volk entgegen und laut hallte seine Stimme von den Bergrücken
wieder:
„Tod den Verrätern des Reiches, Tod allen Widersachern gegen
die gerechte Ordnung! Wer immer es wagt uns entgegenzutreten soll fallen! Für
Volk und Krone! Für ein vereintes, starkes Reich!“
Und wer immer wie ich in ihre glühenden Angesichter gesehen
hat, behütet und geeint durch ihren Herzog, der weiß, dass Stahlberg
unverzüglich ins Feld marschieren würde so sie das Wohl des Reiches gefährdet
sähen. Noch einmal kam es zu einer Kaskade an Hochrufen, als die Herzogin mit
der Prinzessin sich an die Seite ihres Gemahles stellte und dem Volk zuwinkte. Wir
werden in interessanten Zeiten leben denke ich.
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